22.07.2000 Oberlauda, Kirche St.Martin, 20 Uhr

23.07.2000 Wenkheim, Alte Synagoge, 19 Uhr

Chorkonzert 

der "etwas andere" Chor

INSELMUT

- Programm -

Didgeridoo & Posaune

12. bis 14. Jhd.

- Veni Sancte Spiritus

- Stella splendens

Flötenensemble

16. Jhd.

- Anima mea turbata est

- Landsknechtständchen

Gitarren-Duo

17./18. Jhd.

- Brich an o schönes Morgenlicht

- Schlafes Bruder

Cello & Gitarre

18./19. Jhd.

- Psallite Deo Nostro

- Chwalitje Imja Gaßpodnje

Flötenensemble

19. Jhd.

- Im Abendrot

- Die Nacht

- Locus Iste

Didgeridoo & Posaune

Georgien, trad.

Der "etwas andere" Chor Inselmut, 1994 von einer Handvoll singbegeisterter Laien-SängerInnen gegründet und inzwischen auf eine stattliche Größe gewachsen, lädt Sie ein zu einer

musikalischen Zeitreise.

In einzelnen Blöcken möchten wir Sie Stück für Stück durch die Musikgeschichte lotsen. Und wie auf jeder Reise so gibt es auch auf dieser Raststellen. Hier schweigen die Stimmen, stattdessen versüßen einzelne Mitglieder des Chores instrumental den Aufenthalt.

Unsere Reise beginnt mit der Pfingstsequenz aus dem "Graduale Romanum" (um 1200). Hier ist die Mehrstimmigkeit noch sehr durchsichtig, durchhörbar: fast so etwas wie eine "auf mehrere Stimmen verteilte Einstimmigkeit". Der Wechselgesang bzw. die parallele Führung der Stimmen in Quinten und Quarten sind typische Stilelemente jener Zeit. Erstaunlich ist, wie modern bisweilen solch archaische Klänge heute wirken.

Komm herab, o Heilger Geist, der die finstre Nacht zerreißt, strahle Licht in diese Welt.

Komm, der alle Armen liebt, komm, der gute Gaben gibt, komm, der jedes Herz erhellt.

Höchster Tröster in der Zeit, Gast der Herz und Sinn erfreut, köstlich Labsal in der Not,

in der Unrast schenkst du Ruh, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod.

Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund.

Ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, kann nichts heil sein noch gesund.

Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, heile du, wo Krankheit quält.

Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt.

Gib dem Volk, das dir vertraut, das auf deine Hilfe baut, deine Gaben zum Geleit.

Laß es in der Zeit bestehn, deines Heils Vollendung sehn und der Freuden Ewigkeit.

Amen. Halleluja.

-

Im 14. Jahrhundert wurde in Spanien von einem anonymen Meister Stella splendens aufgeschrieben:

Glänzender Stern im Gebirge,

das wie die Strahlen der wunderbaren Sonne gezackt ist,

erhöre das Volk!

Es strömen die Völker der Erde voll Freude herbei:

die Reichen und die Armen, die Großen und die Kleinen.

Dieser Wallfahrtgesang ist immer noch ähnlich durchhörbar wie die rund 200 Jahre ältere Pfingstsequenz. Aber die beiden Stimmen führen bereits deutlich ein jeweils eigenständiges Leben: "punctum-contra-punctum".

-

Von einem der ersten namentlich bekannten großen Meister der Mehrstimmigkeit, Giovanni Pierluigi Palaestrina, stammt Anima mea turbata est.

Meine Seele ist aufgewühlt gar sehr

aber du, o Herr, komm ihr zu Hilfe

erbarme dich meiner,

wenn du kommst am jüngsten Tag.

Alle vier Stimmen sind kunstvoll ineinander verwoben, das Heraushören einzelner Stimmen wird zunehmend schwieriger. Geblieben ist die Eigenständigkeit der einzelnen Melodielinien. Jede Stimme für sich gibt einen Sinn, ganz anders als in vielen Chorsätzen späterer Zeiten, wo gerade die Mittelstimmen oft nur zur Vervollständigung der Harmonik dienen.

-

Aus der gleichen Zeit, von einem anderen "Großmeister" der frühen Polyphonie, Orlando di Lasso, stammt das ausgelassene Landsknechtständchen. Ihm liegt ein weltlicher Text zugrunde: eine alltägliche Geschichte, kunstvoll verpackt!

Geliebte, Dir gilt mein Gesang unter Deinem Fenster.

Ich singe nicht schön, bin nicht gebildet noch kenne ich Petrarcha,

bin nur ein einfacher Landsknecht im Kreise meiner Kumpane,

immer vorne weg bei der Falkenjagd,

aber, Feinsliebchen, wenn Dir mein Lied gefällt, wenn Du mich willst,

so sei die Nacht von Küssen voll ...

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Der Übergang vom 17. ins 18. Jhd. ist die große Zeit Johann Sebastian Bachs, 1685 geboren und gestorben vor genau 250 Jahren. Wie kein anderer hat er die Musik des Abendlandes geprägt und bis heute berufen sich viele Komponisten auf ihn als Vorbild und Ideenlieferant. Inselmut singt hier zwei Choralsätze: Brich an, o schönes Morgenlicht aus dem Weihnachtsoratorium und Schlafes Bruder. So unterschiedlich diese beiden Stücke in ihrer Grundstimmung auch sein mögen, so sind beide doch unverkennbar: Bach!

-

Das Ordnungsschema, das Psallite Deo Nostro zugrunde liegt, ist das der Fuge: ein Thema wird von einer Stimme vorgestellt und nach und nach von den anderen Stimmen aufgenommen. Währenddessen beginnen die ersten Stimmen bereits mit der kontrapunktischen Verarbeitung des Themas. Diese Form der Mehrstimmigkeit gilt spätestens seit J. S. Bach ("Die Kunst der Fuge") als hohe Schule der polyphonen Komposition.

Frohlockt unserem Herr in Freuden,

jubelt seinem Namen durch alle Zeiten,

singt dem Herrn, Alleluja.

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Einen Wechselgesang ganz anderer Art bietet danach die Polyeleion-antiphon des russischen Komponisten Alexander Archangelsky (1846-1924):

Lobet den Namen des Herrn, lobet den Herrn, Ihr seine Diener.

Alleluja.

Gelobet sei der Herr von Zion, der da lebt in Jerusalem.

Alleluja.

Oh danket dem Herrn, denn er ist gut, denn seine Gnade währet allezeit. Alleluja.

Oh danket dem Gott des Himmels, denn seine Gnade währet allezeit. Alleluja.

"Antiphon" bedeutet "Voraus-Klingen", d.h. ein Vorsänger/eine Schola gibt einen Vers vor, den dann die Gemeinde bzw. der Gesamtchor in ausgeschmückter Form übernimmt.

-

Franz Schubert ist für viele Musikfreunde der Inbegriff des romantischen Liedkomponisten. Der Begriff "Romantik" klingt dabei oft nach "Idylle", "heiler Welt" oder einfach nach "Wie schön bist du ...". Das ist – wohl wahr – eine Seite der Medaille. Aber Romantik im Sinne von Empfindsamkeit heißt nicht einfach Gefühlsseligkeit sondern auch heftiges Hin-und-Her-gerissen-sein zwischen Glück und Leid, Freude und Verzweiflung, wie im Abendrot, ebenfalls von Franz Schubert.

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Ein ganz anderer Vertreter der Romantik, der späten zumal, ist Anton Bruckner (1824-1896), vom kleinen Dorfschullehrer zum seinerzeit gefeiertsten Orgelvirtuosen Europas und zum lange Zeit verkannten Komponisten gereift. Seine Musik wurzelt in der Volksmusik seiner niederösterreichischen Heimat einerseits und in seiner tiefen Gläubigkeit auf der anderen Seite. Ein beeindruckendes Zeugnis dieser Frömmigkeit und gleichzeitig einer seiner bekanntesten Chorsätze ist Locus iste

Diese Stätte ist von Gott gemacht,

ein unschätzbares Sakrament.

Preiset hoch die Stätte des Herrn.

Diese Stätte ist von Gott gemacht.

-

Nach dieser langen Reise durch die Zeit schließt das Konzert mit einer Reise in ein Land, das dem Chor Inselmut von Beginn an besonders eng ans Herz gewachsen ist: Georgien. In diesem kleinen Land im Kaukasus, so sagt man, liegen die Wurzeln der ibero-europäischen Kultur. Dort pflegt man bis heute die hohe Kunst der mehrstimmigen Vokalimprovisation. Doch auch viele traditionell überlieferte Gesänge sind hier immer noch lebendig, so auch dieses Sabodischo, also Heilungslied: Batonebo (Windpocken). Diese Weise ist nicht nur Balsam für des Chorsängers Seele, es ist tatsächlich Medizin, im wahrsten Sinne des Wortes: die ganze Familie steht um das erkrankte Kind und singt. Zuerst leise und zart, einlullend, damit das Kind in sanften Schlaf fällt. Im zweiten Abschnitt wird die Krankheit "höflich zwar, aber bestimmt" aufgefordert zu gehen, nicht ohne sofort wieder zum beruhigenden Tonfall des ersten Teils zurückzukehren.

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Wir hoffen, daß die Musik wie so oft, so auch in unserem Konzert ihre heilende Wirkung entfalten konnte. Wir bedanken uns herzlich für Ihren Besuch und würden uns freuen, Sie im nächsten Jahr mit unserem neuen Programm wieder als unsere Gäste begrüßen zu können: dann mit ausschließlich weltlichen Liedern, lassen Sie sich überraschen ...

Einen guten Nachhauseweg wünscht Ihnen

der "etwas andere" Chor

INSELMUT

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der "etwas andere" Chor

INSELMUT

- Programm -

Didgeridoo & Posaune

12. bis 14. Jhd.

- Veni Sancte Spiritus

- Stella splendens

Flötenensemble

16. Jhd.

- Anima mea turbata est

- Landsknechtständchen

Gitarren-Duo

17./18. Jhd.

- Brich an o schönes Morgenlicht

- Schlafes Bruder

Cello & Gitarre

18./19. Jhd.

- Psallite Deo Nostro

- Chwalitje Imja Gaßpodnje

Flötenensemble

19. Jhd.

- Im Abendrot

- Die Nacht

- Locus Iste

Didgeridoo & Posaune

Georgien, trad.

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